Wir Menschen sind mit einem präzisen inneren Kompass ausgestattet – unseren Gefühlen. Gefühle sind eine wertvolle Informationsquelle und Entscheidungsgrundlage. Sie unterstützen uns im Restaurant genauso wie bei der Partner*innenwahl, im Job als auch in Bezug auf die allgemeine Lebensausrichtung. So bereichern wir unser Leben, wenn wir bewusst in uns hineinspüren und prüfen, was da ist und gehört werden will.
Wie ist das nun mit Gefühlen?
Noch vor einigen Jahren hatte ich selbst nicht den besten Zugang zu meinen Gefühlen. Ich war sehr mit meinem Verstand verbunden und habe kognitiven Entscheidungen große Bedeutung zugemessen. Gleichzeitig habe ich mich als emotional und impulsiv erlebt – was so gar nicht in mein damaliges Weltbild reinpasste. Mittlerweile habe ich Frieden mit meinen Gefühlen geschlossen und kann sie auf liebevolle Weise wahrnehmen und betrachten.
Es gibt so viele Gefühle wie der Regenbogen Farben hat. Wir sind etwa ängstlich, bedrückt, verstimmt, frustriert, irritiert, lethargisch, perplex, traurig, gestresst, verletzt, verwirrt, verzweifelt. Wütend, zornig, genervt, unruhig, nervös. Wir sind zufrieden, glücklich, verliebt, erfüllt, dankbar, interessiert, neugierig, inspiriert, vergnügt, ehrfürchtig, stolz, voller Hoffnung. Wir fühlen uns sicher, zugehörig, ruhig, erholt, entspannt, frei, getragen, selbstbestimmt.
Fakt ist, dass die momentane Befindlichkeit unser Verhalten bestimmt – ob es uns recht ist oder nicht. Fühlen wir uns etwa angespannt, gestresst und stehen unter Druck, neigen wir etwa dazu, schnippische oder zynische Kommentare zu machen (fight), zu prokrastinieren (flight) oder sogar handlungsunfähig (freeze) zu werden.
Fühlen wir uns hingegen entspannt und ausgeglichen, wird das Handeln ebenfalls von dieser Grundstimmung beeinflusst und gesteuert. Im Regelfall treffen wir die besseren Entscheidungen und verhalten uns sozial verträglicher, wenn wir entspannt sind.
Gefühle und Empfindungen als innerer Kompass
Gefühle und körperliche Empfindungen können uns ein wunderbarer innerer Kompass sein. Sie entstehen als Reaktion auf ein Ereignis und dazugehörige – manchmal nicht bewusst wahrgenommene – Gedanken. Dieser Kompass zeigt uns sehr präzise, wie es gerade um uns steht – in dieser Situation, mit dieser Aufgabe, dieser Person, in dieser Beziehung. Wie wir das Hier & Jetzt erleben, was wir erwartet haben. Sie machen uns auf die zugrundeliegenden Bedürfnisse aufmerksam.
Jeder gelungenen sozialen Interaktion und Kooperation geht die Klärung und Kommunikation der eigenen Gefühle und Bedürfnisse voran. In der Psychotherapie lernen Menschen etwa, wie sie sich selbst in der momentanen IST-Situation wahrnehmen können. Sie lernen ihre Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen, zu beschreiben und zu benennen. So können diese Skills das Wohlbefinden als auch die Entscheidungs- und Handlungskompetenz positiv beeinflussen.
Die Klarheit seines Innern ist den Menschen das höchste Gut.
Adalbert Stifter
Eine Übung für Selbstwahrnehmung
Wertfreie, beobachtende Selbstwahrnehmung kann erlernt und geübt werden, etwa durch Achtsamkeitsübungen, Meditation oder Focusing. Probiere an dieser Stelle gerne selbst aus, wie du dich und deine Innenwelt wahrnimmst.
- Nimm dir dafür ein paar Minuten Zeit, an einem geeigneten Ort. Werde ruhig und entspanne dich einen Moment.
- Denke an deine aktuelle IST-Situation. Mögliche Fragen können sein: Wie erlebst du dich zurzeit? Wie fühlst du dich? Was ist momentan für dich das Wichtigste im Leben? Wie geht es dir damit?
- Lasse die Frage(n) auf dich wirken. Achte darauf, was kommt. Sag Ja zu diesem Gefühl. Lass es zu, es darf sein. Es ist auch vollkommen okay, wenn das Gefühl zunächst unklar und formlos ist.
- Lass deinen Körper zu Wort kommen, er unterstützt dich dabei. Welche körperlichen Empfindungen sind da? Wo genau im Körper nimmst du etwas wahr? Wie fühlt es sich genau an? Ist es unangenehm oder angenehm? Betrifft es den ganzen Körper oder nur bestimmte Bereiche?
- Lass das Ganze auf dich wirken und komme nach einer Weile zurück.